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Authors: Allan Guthrie

Hard Man (9 page)

BOOK: Hard Man
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Holte sein Handy raus. Rief Flash an. Dann machte er die Tür auf und kotzte.

Als er hochblickte, führte gerade ein junges Mädchen den Labrador seiner Eltern über die Straße. Er nickte ihr zu, als sie vorbeikam. Sie nannte ihn ein widerliches altes Arschloch. Danach fühlte er sich fast wieder normal.

 

»Ich wünschte nur, du hättest mir gesagt, dass du es heute machen wolltest«, flüsterte Flash später im Garten. Rog hatte sich hingelegt, mit Sonnenbrille, pochender Lippe, und trank ein Bier. May lag auf dem Bauch und las, gleich neben der Stelle, wo sie Louis beerdigt hatten. »Ich hätte dir gesagt, dass du noch nicht so weit bist«, sagte Flash. »Ich hätt’s an deiner Stelle gemacht.«

Rog wusste, dass es nur so dahingesagt war, und trotzdem wäre er fast in Tränen ausgebrochen. Er war noch nicht ganz wiederhergestellt, von dem ganzen Erlebnis nach wie vor erschüttert. Er wusste, dass er kein Auge würde zumachen können und dass seine Gefühle ein einziges Chaos waren.

Einerseits war er froh, am Leben geblieben zu sein, und andererseits stand er von seiner Nahtoderfahrung noch unter Schock.

Er hatte Dad nicht erzählt, was passiert war. Noch nicht. Dieser kleine Leckerbissen war für später. Und Dad würde alles andere als froh darüber sein, denn jetzt hatte Wallace die Pistole, und damit war er für May eine noch größere Gefahr als zuvor.

»Was habt ihr denn da zu flüstern?« May schaute von ihrem Buch hoch.

»Ach, nichts«, sagte Flash.

Sie ließ die Haare nach hinten fliegen und blickte Rog an. »Deine Lippe heilt ja gar nicht.«

»Die ist schon okay«, sagte er. »Nur ein bisschen geschwollen vom Nähen.«

»Ach ja?«, sagte sie und widmete sich wieder ihrem Buch.

Was auch gut so war. Rog traute sich nämlich beim Reden selbst nicht über den Weg. Er hätte Wallace ein für alle Mal ausschalten können. Er hatte die Gelegenheit dazu gehabt, und er hatte sie vermasselt. Wenn Rog nicht ein solcher Versager wäre, wäre seine kleine Schwester jetzt in Sicherheit.

Er spürte, dass seine Wimpern feucht wurden.

Herrgott, wenn May ihn jetzt weinen sah, würde sie dahinterkommen. Es war schon schlimm genug, dass sie sie in puncto Louis angelogen hatten, aber noch einmal zu lügen war mehr, als Rog verkraften konnte.

Gott sei Dank hatte er die Sonnenbrille auf.

»Ich hol mir noch ‘n Glas Cola«, sagte sie und stand auf. »Wollt ihr verlogenen Schweine auch was?«

»Pass auf, was du sagst«, sagte Flash. »Sonst hört dich Dad noch.«

»Ach, scheiß drauf«, teilte May ihm mit. »Wollt ihr jetzt was, oder wie?«

Flash und Rog schüttelten die Köpfe.

Dad hatte nicht gemerkt, dass die Kanone weg war. Rog glaubte es wenigstens. Dad hatte nichts gesagt. Vielleicht würde er’s auch nicht tun. Als sie zurückgekommen waren, war Dad in der Küche gewesen und hatte mit Norrie über Andalusien geplaudert, und Rog hatte ihn nicht stören wollen.

In Wirklichkeit wollte Rog nicht, dass Dad wusste, was für eine Niete sein Erstgeborener war. May war in ihrem Zimmer.

Flash ging zu ihr, um mit ihr zu reden, und nach kurzer Zeit kamen sie wieder heraus und baten Rog, mit ihnen in den Garten zu gehen. Noch ein bisschen von dem Rest Sonne tanken. Er konnte nicht reden.

Er hatte sich seine Sonnenbrille und was zu trinken geholt.

Genau. Nach ‘nem Bier ging es einem besser. Und es ging ihm auch besser. Ein bisschen wenigstens.

»Vielleicht sollte ich einfach hingehen und es Dad gleich erzählen«, sagte er zu Flash, während er die Brille hob, um sich die Augen zu wischen. Bitte schön, es war ein verdammt schwerer Tag gewesen, oder etwa nicht? Und große Männer weinten gelegentlich. Deshalb musste man sich nicht schämen. Trotzdem kam er sich vor wie der letzte Schlappschwanz. Schämen oder nicht. In Wirklichkeit hatte seine Lippe gar nicht so sehr wehgetan.
Das
war es nicht, worüber er Tränen vergoss.

»Ich glaube auch«, sagte Flash.

Rog wartete ab, bis May mit ihrem hohen Colaglas zurückkam, dann ging er ins Haus und schloss sich in der Toilette ein. Gute zehn Minuten lang schluchzte er sich das Herz aus dem Leib.

Danach ging er in die Küche und fragte Dad, ob er ihn unter vier Augen sprechen könne, aber Dad sagte, er habe keine Geheimnisse vor Norrie. Und da erzählte Rog ihnen, was er getan hatte.

Wenn Dad seine Kanone noch gehabt hätte, hätte er Rog auf der Stelle erschossen.

 

Am nächsten Morgen war Rog seit dem Aufstehen zum Glück noch nicht ein einziges Mal in Tränen ausgebrochen, aber er hatte die ganze Nacht kein Auge zugetan. Dad alles zu beichten war schwer gewesen. Man sollte meinen, dass etwas dran sei an der Redensart von wegen geteiltes Leid ist halbes Leid und so. War’s jedoch nicht. Ein Haufen Scheiße war’s. Dad und Norrie wollten Einzelheiten wissen, also erzählte er ihnen Einzelheiten. Erzählte, wie Wallace gedroht hatte, ihm die Kniescheiben wegzuballern, wie er sich im Auto auf dem Rücksitz versteckt hatte.

Dad nannte ihn darauf einen Trottel. Er könne froh sein, dass er noch lebte.

Die ganze Nacht über hatte Rog die Ereignisse des Tages immer wieder Revue passieren lassen. Je mehr er darüber nachdachte, desto klarer wurde ihm, dass Dad recht hatte. Wenn Rog ein Zocker gewesen wäre, hätte er einen Riesenhaufen Geld darauf verwettet, dass Wallace ihn niemals würde laufen lassen.

Da war was faul, Mann. Wallace war schließlich nicht Gandhi. Okay, so hatte er sich auch nicht gerade benommen, aber nach seinen Standards kam es der Sache schon verdammt nahe.

Rog dachte darüber nach, wie gefasst Wallace gewesen war. Da kommt einer in dein Haus reingeschneit und feuert ein paar Kugeln auf dich ab, da denkt man doch an nichts anderes, als wie man darauf reagieren soll, oder? Man prügelt dem Wichser die Scheiße aus dem Leib. Das war ja wohl das Mindeste. Okay, ein normaler Mensch würde so reagieren. Wallace war alles andere als normal. Von Anfang an hatte er Rog mit seiner Psychotour durcheinandergebracht. Und das machte er nach wie vor. Und noch dazu verflucht gut.

 

In der folgenden Nacht, so gegen zwei Uhr früh, lag Rog im Bett und horchte auf das willkommene Plätschern des Regens an seinem Fenster - diese Hitze war keine Hilfe, wenn man Schlafschwierigkeiten hatte -, als er ein Geräusch wie von scharrenden Stuhlbeinen hörte, das aus der Küche zu kommen schien. May war’s nicht. Die schlief wie ein Murmeltier. Konnte Dad sein, den seine zermanschte Nase wach hielt. Oder der Hunger hatte und sich ein Sandwich schmierte oder sich einen Keks holte. Aber was, wenn es nicht Dad war?

Rog stieg leise aus dem Bett, und schnappte sich den schwarzen Holzbaseballschläger, Marke Louisville Slugger, den er zum Schutz immer griffbereit unter dem Bett hatte, seit May eingezogen war.

Er schlich durch den Flur. Streckte den Kopf ins Wohnzimmer.

Nichts.

Weiter durch den Flur. Machte sich gefasst. Schläger fest im Griff. Lugte um die Küchentür herum. Nichts.

Um sicherzugehen, knipste er das Licht an. Nichts. Niemand. Er atmete laut aus. Ging zur Spüle, ließ sich ein Glas Wasser einlaufen, trank es, knipste das Licht wieder aus. Wünschte, er könnte seine Nerven beruhigen.

Wallace war nicht dumm. Er würde nicht hierherkommen. Wenn er sauer war, dann würde er es auf seinem eigenen Revier austragen. Er würde nicht…

Wamm!
Die Seite von Rogs Kopf explodierte. Er schwankte, versuchte, nicht zu Boden zu gehen. Versuchte, den Baseballschläger festzuhalten, aber bei dem Schlag gegen den Kopf hatte sein Griff sich gelockert. Ihm war schwindlig.
Wamm!
Ein zweiter Schlag schickte ihn auf die Knie. Vor seinen Augen blitzten Lichter auf. Der Baseballschläger glitt aus seinen Fingern, in denen überhaupt keine Kraft mehr war.

»Wallace?«, sagte er, um dann die verrückteste Frage zu stellen: »Hast du mich grade erschossen?«

Ein dritter Schlag über die Nasenwurzel schleuderte ihn nach hinten. Sein Gesicht hüllte sich in Schmerz.

Dann spürte er eine Hand an seinem Bein. »Wallace?«, sagte er wieder.

Und eine Explosion. Er wusste, was es war, was es bedeutete. Er hatte seine Antwort. Die drei ersten Schläge waren keine Schüsse gewesen. Der hier schon. Eine Sekunde lang war er allein auf seine Vorstellungskraft angewiesen. Und diese versuchte während dieser Zeit, ihn auf den kommenden Schmerz vorzubereiten, indem sie ein vermeintlich adäquates Gefühl heraufbeschwor. Aber sie verfehlte ihr Ziel um Längen. Als der Schmerz kam, war er anders als alles, was er bisher erlebt hatte. In ein und demselben Augenblick knallten hundert Holzhämmer auf seine Kniescheibe. Pulverisierten sie. Der Schmerz überlastete seine Sinne. Er konnte nicht fassen, dass so viel Schmerz überhaupt möglich war. Aber er war es. Er brüllte, sagte sich, der Schmerz sei gar nicht so schlimm. Brüllte erneut, weil es gelogen war. Würgte an dem Blut seiner zertrümmerten Nase.

Er bekam nicht mit, was Wallace machte. Hätte ihn sowieso nicht aufhalten können.

Die zweite Explosion folgte kurz darauf. Der gleiche blendende Schmerz. Diesmal das andere Knie. Über dem Schmerz der Gedanke, dass er nie wieder laufen würde. Egal, wenn nur der Schmerz aufhörte.

Er hörte die Haustür zuknallen.

Sekundenbruchteile später wurde er ohnmächtig.

 

Pearce hörte zuerst im Radio davon. In der Zeitung stand es auch, und es kam in den Fernsehnachrichten. Jemand hatte aus kurzer Distanz beide Knie mit einer Handfeuerwaffe zerschossen. Pearce erkannte den Namen des Dicken wieder. Fragte sich, was Rog Baxter wohl angestellt hatte, dass Wallace so sauer wurde. Ging ihn aber im Grunde nichts an, richtig?

GHOST DOG

 

Guapa
war Flashs Lieblingswort, und zwar so sehr, dass er es für sich behielt und stattdessen
muchacha
sagte, wenn er sich mit Rog kabbelte. Eine
guapa
war eine Süße, und
guapas
wollten immer wissen, wieso er Flash genannt wurde.

Na ja, die wahre Herkunft konnte er ja wohl schlecht zugeben, oder? Es war einfach nicht recht, zu irgendeiner hübschen Lady, die er gerade kennengelernt hatte, zu sagen: >Hallo, mein Schatz, ich wird Flash genannt, weil ich Sachen klaue. Schnell wie der Blitz.< Er wusste, dass es Kerle gab, die genau das machten, aber nein, Flash hatte schließlich Stil, und wenn er ein Mädchen ausführte, nahm er sie nicht zu Burger King mit, auf keinen Fall, Kumpel, von wegen. Er lud seine Frauen zu Pizza Hut oder etwas Ahnlichem mit Klasse ein, vielleicht sogar zum Pizza Express, wenn die Lady was wirklich Besonderes war, und ließ ein bisschen
espanol
einfließen, worauf es dann auch meistens funkte, womöglich weil es sich, wer weiß, ein bisschen versaut anhörte.

Eine Zeitlang hatte er den ganzen
guapas,
die er kennenlernte, erzählt, er heiße Gordon und sei unter seinem Spitznamen Flash bekannt, und nach einer Minute hatten sie kapiert und gesagt:
Aha. König des Universums.

Funktionierte immer. Okay, manchmal auch nicht, aber immer mal wieder. Jedenfalls war er stinksauer gewesen, als er herausfand, dass der Vorname von diesem Pearce Gordon lautete, denn das war so, als hätte der Wichser ihm seinen Namen geklaut, auch wenn Flashs Eltern ihm den Namen Fräser aufgehalst hatten und nicht Gordon.

Gordon Pearce. Der Drecksack hieß Gordon. Das hatte Dad ihm gesagt.

Egal, er hatte hier jetzt etwas zu erledigen, und zwar
pronto.
Flash war bereit loszulegen, auch wenn sein Mund trocken war, aber Dad hatte immer wieder gesagt, es bestehe keine Gefahr, und natürlich hatte er recht. Überhaupt keine, war ja nur ein Anruf, wieso war er also so verflucht nervös? Flash blies die Backen auf, stampfte mit dem Fuß auf, machte eine Faust und knallte die Knöchel in die andere Handfläche. Jawoll, ‘ne Mordswut aufbauen, er war so weit, Mann, voll drauf.

Nicht dass er irgendwen zusammenschlagen musste, diesmal nicht, nein, er musste nichts weiter als diesen verschissenen Anruf machen.

Jetzt hätte er eine Kippe gebrauchen können, aber er hatte aufgegeben, in der Hoffnung, Dad zu beweisen, wie einfach es war, nur eine Frage der Willenskraft, und das war das Gleiche, wie stur zu sein, und stur war Dad garantiert, also kein Problem.

Und es war ja auch nicht so, dass er Wallace von Angesicht zu Angesicht gegenübertreten musste, das heißt, es gab keinen Grund für die ganze Aufregung, doch die Wahrheit war, dass er eine Scheißangst davor hatte, was der Wichser als Nächstes tun würde.

Flash kriegte immer noch nicht richtig in den Kopf, was mit Rog passiert war. Hatte im Leben noch nie von so ‘ner feigen Scheiße gehört, außer der Prügel für May und dem, was die Drecksau Louis angetan hatte, vielleicht, aber Tatsache war doch, dass es total scheißgemein war, jemandem einfach so in die Scheißknie zu schießen, wenn er nicht hinschaute und keine Möglichkeit hatte, sich zu verteidigen, bis auf den Baseballschläger, aber der konnte ja wohl kaum viel gegen eine Kanone ausrichten, oder?, und kam deshalb praktisch auf nicht viel, fast auf gar nichts raus, und darauf kam es an, genau wie er’s gesagt hatte.

Wallace hatte echt verdient, was er bekommen würde. Daran bestand kein Zweifel, und Flash hätte es ihm nur allzu gern gegeben, aber als wenn Wallace nicht so schon ‘ne harte Nuss gewesen wäre, hatte er jetzt auch noch ’ne Scheißknarre gegen sich, und dass war eine totale Kackscheiße.

Und deshalb war Pearce der Richtige für den Job. Okay, er hatte zwar bereits abgelehnt, und Dad hatte aufgegeben, aber Flash dachte sich, dass man ihn immer noch überreden konnte. Und er hatte keine Angst vor Kanonen. War schließlich schon mal angeschossen worden und hatte überlebt.

Flash griff zum Hörer und wählte.

 

Hilda starrte schwanzwedelnd das Telefon an. Es sah aus, als sei er drauf und dran, sich auf den Hörer zu stürzen. Pearce nahm ab und sagte: »Sprechen Sie.«

»Hast du gesehen, was passiert ist?«, sagte eine Stimme, die ihm flüchtig bekannt vorkam.

Pearce wartete, konnte die Stimme aber nicht unterbringen, und da sie nichts mehr sagte, legte er auf.

Sekunden darauf klingelte das Telefon erneut. »Scheiße, wieso legst du auf,
amigo?«,
sagte dieselbe Stimme. »Da ist doch Pearce, oder?«

Baxters Sohn. Der, der noch laufen konnte. Der, dem Pearce gedroht hatte, ihn zu kastrieren. »Ich hab Nein gesagt«, sagte Pearce.

Er legte wieder auf. Bückte sich, hob Hilda hoch und klemmte ihn sich unter den Arm. Er ging durch bis ins Schlafzimmer, blieb am Fenster stehen und blickte auf den Firth hinaus, während er Hilda den Kopf streichelte. Wieder ein heißer, klarer Tag. Zu heiß, um mit so einem Theater belästigt zu werden.

BOOK: Hard Man
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