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Authors: Allan Guthrie

Hard Man (7 page)

BOOK: Hard Man
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Na ja, man kann nicht alles haben.

 

Rog schwitzte, obwohl das Autofenster offen war. Was stimmte dieses Jahr nur mit dem Wetter nicht? Wo war der ganze Scheißregen geblieben? Irgendwann verließ man sich auf ihn, und dann fehlte er einem, wenn er nicht kam. Die Hitze brachte ihn zum Schwitzen, und von dem Schweiß juckten seine Nähte. Er leckte sich über die Lippe und schmeckte Salz. Und da war auch noch dieser beschissene Gestank, selbst wenn die Fenster offen standen. Er hatte schon den größten Teil einer Flasche Desinfektionsmittel in den Kofferraum gekippt. Resultat: Anstatt nach totem Hund stank die Karre nun nach sauberem toten Hund. Eine Verbesserung, klar, aber Gestank blieb Gestank, auch wenn es sauberer Gestank war. Und jetzt war der Kofferraum innen klatschnass. Sie hatten angehalten, um zu reden.

»Park ist der Einzige, der es vielleicht gemacht hätte, und der sitzt im Gefängnis«, sagte Rog zu Flash. Er steckte den Kopf aus dem Fenster und schnappte frische Luft. Nur war sie gar nicht so frisch. Die Autoabgase waren ziemlich übel, wie es um ein Uhr mittags auf der Glasgow Road nicht anders zu erwarten war. Was machte er hier überhaupt? Flash wollte unter vier Augen reden. Er dachte, May sei zu Hause einigermaßen sicher, jetzt wo Dad eine Kanone hatte. Vorläufig wenigstens. Als sie dann im Auto saßen, fragte Flash, ob er ihm wieder mal bei einem Einbruch helfen würde, denn die Kohle wurde knapp; aber Rog hatte nicht den Mumm dazu. Er war schon bei vier Brüchen mit von der Partie gewesen, und sie waren alle erfolgreich verlaufen - in dem Sinne, dass sie ein paar Pfund und ein bisschen Elektronik und einen Haufen Schmuck erbeutet hatten und, was am wichtigsten war, damit durchgekommen waren -, aber Rog hatte es nicht geschafft, sich an die ganze Sache zu gewöhnen, kein bisschen. Vielmehr war jeder folgende Bruch schlimmer gewesen als der vorherige. Daher hatte er abgelehnt und gesagt: »Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt.« Und eins musste man Flash lassen, er hatte nicht weiter gebohrt. Ihn stattdessen gefragt, ob er Lust hätte, ihm zu helfen, einen Reifenentsorgungsdienst zu gründen, und erklärt, dass man Geld damit verdienen konnte, wenn man von Werkstätten alte Autoreifen einsammelte und sie entsprechend dem 2003 in Schottland verabschiedeten Gesetz umweltfreundlich entsorgte. Er kannte einen Kerl, der wiederum einen Kerl kannte, dem mehrere Werkstätten gehörten und der anscheinend siebzig Riesen pro Jahr zahlte, um seine Altreifen abholen zu lassen. Es steckte eine Menge Kohle in der Reifenentsorgung. Für Rog hörte sich das nach einem interessanten Vorschlag an, aber er sagte doch Nein, als Flash erklärte, er plane, die Reifen illegal irgendwo auf dem Land abzuladen, denn irgendwie müsse man ja Kosten sparen.

Rog zog den Kopf wieder ins Auto. Eigentlich sollte er dran denken, ‘nen Happen zu essen, Mann. Aber er hatte keinen Hunger. Hatte seit einiger Zeit irgendwie keinen Appetit mehr. Und er konnte sich nicht erinnern, dass das je zuvor passiert war. »Wir können es nicht Dad machen lassen«, sagte er. Mein Gott, Dad würde ihn umbringen, wenn er erfuhr, wie er sein Geld in letzter Zeit tatsächlich verdient hatte. Er machte Dad wirklich nicht gern vor, als Rausschmeißer zu arbeiten, aber es machte den alten Knaben glücklich, und wem schadete es schon? In Wahrheit hatte Rog eine Weile in einem Pub in Grassmarket hinter der Bar gearbeitet, war aber entlassen worden, weil er zu langsam war.

»Muchacha-
Alarm«, sagte Flash. »Was sagst du zu dem Hintern da?« Er drehte sich im Beifahrersitz um, damit er der
muchacha
noch länger nachschauen konnte. Oder vielmehr dem Hintern der
muchacha. »Muy
hübsch.«

Er
war
hübsch. Das konnte Rog nicht bestreiten. Ein J.-Lo-Hintern. Einer, in den man am liebsten die Zähne geschlagen und drauflosgemampft hätte.

»Würdest du da nicht am liebsten ‘ne Holzlatte draufknallen?«

Der Gedanke war Rog noch nicht gekommen. Aber jetzt, wo Flash es erwähnt hatte, bekam er das Äild nicht mehr aus dem Kopf. Er packte das Steuer und drückte zu, als könne er sich so irgendwie das Bild aus dem Hirn quetschen. Ohne Erfolg. Das Bild blieb, wo es war. Wenn überhaupt, war es jetzt noch fester verankert und stand noch schärfer vor ihm. Da war sie, die
muchacha,
mit blankem Hintern, oh ja, über die Lehne eines niedrigen Stuhls gebeugt, und Rog bereit, ihr einen Klaps mit ‘ner Latte zu verpassen. Wieso? Er hatte keine blasse Ahnung. Aber da saß er, selber mit ’ner Riesenlatte. Er konnte um’s Verrecken keinen klaren Gedanken mehr fassen. Alle möglichen verrückten Sachen gingen ihm durch den Kopf. Halluzinationen praktisch, wie auf ‘nem Trip, obwohl er seit mindestens sechs^Monaten nichts mehr eingeworfen hatte und nie ein schwerer User gewesen war. Ein Flashback konnte es also nicht sein. Aber verflucht komisch war ihm trotzdem. »Wieso sollte ich so was machen wollen?«, fragte er Flash.

»Einfach so, du weißt schon, weil das … Scheiße, was weiß ich denn?«

»Du bist pervers, Flash.« Und das stimmte. Flash war pervers. Rog musste die Kleine aus dem Kopf kriegen. Er ließ sich viel zu leicht ablenken. Und er wusste auch, warum. Er wollte nicht daran denken, was er würde tun müssen. Denn da gab es keinen Ausweg. Er musste sich konzentrieren. »Pass mal auf, hm?«, sagte er zu Flash.

»Ich höre.«

»Schau mich an.«

Widerstrebend drehte Flash sich um. »Tu ich. Obwohl mir die
muchacha
besser gefällt.«

Rog erwiderte Flashs Lächeln nicht. Er packte das Steuer noch fester. »Wir können Dad das nicht machen lassen«, sagte er.

Flash gönnte sich noch einen raschen Blick auf die
muchacha.
»Rostige Nägel«, sagte er.

»Was soll das denn jetzt, Scheiße noch mal?«

»Rostige Nägel in der Holzlatte.«

Rog stellte es sich vor. Junge, sein Bruder war ja so was von krank. »Du bist krank«, sagte er. »Kann sein.«

»Und überhaupt«, sagte Rog, »würde die dich locker zum Frühstück verspeisen.«

»Das kann man nur hoffen.«

Flash musste herzlich lachen über seinen eigenen Witz. Rog war heute nicht in Stimmung für Flashs Scherze. Irgendwie glaubte er auch nicht, dass er morgen dafür in Stimmung sein würde. Wenn er morgen je erleben sollte. Nach einer Weile sagte er: »Ich hab mich entschieden.«

»In Bezug auf was?«, sagte Flash.

Rog machte sich nicht die Mühe, zu antworten.

»Du denkst doch nicht etwa, was ich denke, dass du denkst, oder?«

Jetzt hatte Rog seine Aufmerksamkeit. »Ich weiß nicht.« Zöger’s hinaus. Flash hat’s verdient. »Was denkst du denn, dass ich denke?«

»Mann. Das darfst du nicht. Wenn’s irgendwer macht, dann
ich.«

»Ich hab dich nicht um deine Erlaubnis gefragt.«

»Rog, das geht nicht.«

»Wieso nicht, Flash? Wieso nicht, verdammte Scheiße?« Und er wollte es wirklich wissen. Es war keine rhetorische Frage. Abgesehen vom Gesetz, was konnte ihn davon abhalten? Verdammt noch mal, er war nicht bescheuert. Bei den Klassenarbeiten in der Schule hatte er ziemlich gut abgeschnitten und hätte aufs College gehen können, wenn er gewollt hätte. Aber er brauchte kein Diplom, um zu wissen, was persönliche Verantwortung ist. Jeder konnte tun und lassen, was er wollte, solange er bereit war, die Konsequenzen zu tragen. Deshalb konnte man auch gegen Selbstmordattentäter so wenig machen.

»Das kannst du für den Rest deines Lebens überlegen«, sagte Flash.

»Und du nicht?«

»Naja, ich hab mich zuerst entschieden.«

»Und ich bin dein großer Bruder und entscheide für dich zurück^

»Manno.« Flash fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. »Das ist unfair.«

»Um die Wahrheit zu sagen«, sagte Rog, »ich glaub, dass du’s vermasseln würdest.«

»Rog,
compadre,
das ist Blödsinn, und das weißt du genau.«

Rog verdrehte die Augen, als von der Windschutzscheibe eines Doppeldeckerbusses, der vor ihnen in eine Haltestelle einbog, ein Sonnenstrahl zurückgeworfen wurde. Die Tür öffnete sich, und einige Fahrgäste stiegen aus. Rog schaute benommen zu. Es war, als sei dieser alltägliche Vorgang, das Aufschwingen der Türen, das Aussteigen von Leuten, ein fesselnder Film, den er schon sein ganzes Leben lang angesehen hatte. Der Bus fuhr los. Als er vorbeikam, riet ein Reklameband an der Seite Rog, seinen Zing in seinem Ding zu behalten. Er hatte keine Ahnung, wofür es warb. Oder in welchem Ding er seinen Zing behalten sollte. Es machte ihn traurig, dass er es womöglich nie erfahren würde.

Flash stupste ihn an. »He, ich rede mit dir.«

Mit einem Mal war Rog sauer. Er mochte es nicht, in die Rippen gestupst zu werden, unter normalen Umständen hätte er Flash allerdings damit durchkommen lassen. Scheiße, er stand voll unter Stress. »Lass das, verflucht noch mall«, sagte er. Eine Überreaktion. Aber er konnte nichts dagegen machen. Sah wieder diesen Wahnsinnsarsch vor sich. Die Holzlatte. Einen rostigen Nagel. Heilige Scheiße, er war selber schon total versaut.

»Okay, dann pass aber auch auf, verflucht,
verga.
Du machst mich runter, weil ich mir
muchachas
angucke, und dann bist du fünf Minuten später selber am Pennen. Hast du auch nur ein Wort von dem gehört, was ich gesagt habe?«

»Pass auf, wen du hier ‘nen Penner nennst.« Da war es wieder. Er konnte es sich nicht verkneifen, sich zu kabbeln. Wenn es ernst wird, nimm der Situation die Schärfe. Brich die Spannung mit Humor auf. So wie sie es immer gemacht hatten, so wie sie aufgewachsen waren. Kannten gar nichts anderes. Was die ganze Sache noch schwerer machte.

»Weißt du was?«, sagte Flash. »Ich glaub, die haben dir voll ins Gehirn geschissen.«

Rog boxte ihn auf den Arm. »Ich hab dickere
cojones
als du.«

»Alle Achtung«, sagte Flash.
»Cojones.
Sehr gut.«

Rog war sich im Klaren darüber, dass er mehr Zeit darauf verwenden könnte, sich einen narrensicheren Plan zu überlegen, wie er mit dem, was sein Vater Plan B nannte, davonkam. Aber wozu eigentlich? Irgendwann würde er geschnappt werden. Es war sinnlos, das Unvermeidliche hinauszuzögern. Wenn er seinen Schwager umbrachte, würde man ihn dafür einbuchten. Und zwar lange. Basta.

Es sei denn, er erschoss sich danach. Er hatte nur noch vierundzwanzig Stunden Zeit, das Ganze zu durchdenken, denn morgen würde er es tun.

 

Am anderen Tag drückte Rog die Klingel zur Wohnung von Wallace. Ein leichter Windhauch kitzelte ihn im Nacken, die Kanone hatte er hinten in die Hose gesteckt, wo sie sich ihm ins Ende der Wirbelsäule drückte. Am liebsten wäre er weggelaufen. Wie ein kleiner Junge. Aus Angst vor dem, was ihm bevorstand.
Sei nicht so ein Scheißjammerlappen.
Er musste sich wirklich vor sich selber schämen.

Flash hatte er erzählt, er würde eine Weile warten. Noch mal drüber nachdenken. Jetzt wünschte sich Rog, es wäre die Wahrheit gewesen.

Wallace öffnete die Tür. Er wirkte noch größer als beim letzten Mal, da Rog ihn gesehen hatte. Und älter. Hatte viel weniger von einem Babyface. Wirkte eher verkniffen. »Du solltest nicht hier sein«, sagte Wallace. »Es sei denn, du bist lebensmüde.«

Er wusste es. Irgendwie wusste der Wichser es.

Wallaces Augen, die durch die Gläser seiner Brille vergrößert wurden, waren stumpf. Freudlos. Kein Funkeln, keine Spur von Humor. Als hätte jemand ihnen den Glanz ausgesaugt. Einen winzigen Moment lang hätte Rog ihn am liebsten in den Arm genommen. Ihm gesagt, was er tun würde, sich entschuldigt und dann erklärt, dass es nun mal sein musste. War das nicht total bescheuert? Wobei, na ja, sie hatte mit einem anderen geschlafen, und sie war mit Wallace verheiratet, und Rog hatte sie dafür ziemlich streng ausgeschimpft. Nicht dass er ihr in den Rücken fallen wollte. Aber er konnte sich doch nicht bei Wallace entschuldigen, bevor er ihn erschoss, oder? Das war lächerlich, und er war nervös, und deshalb dachte er nicht klar.

Vor zehn Minuten hatte er Wallace in seinem Range Rover nach Hause kommen sehen. Beobachtet, wie er draußen geparkt, den Wagen abgeschlossen, die Haustür geöffnet hatte. Das Übliche, mit anderen Worten. Es war Freitag, und da machte er gerne früher Feierabend. Mays Abgang hatte daran nichts geändert.

»Was willst du?«

Rog hatte einen Frosch im Hals. Scheiße, Scheiße, Scheiße! Er musste das jetzt durchziehen. Die Knarre hatte er sich ganz einfach geklemmt, verdammt. Er hatte nicht daran gedacht, danach zu fragen. Er wusste, dass sein Dad es bei ihm genauso wenig zulassen würde wie bei Flash. Hielt nicht viel von ihren Fähigkeiten in Sachen Mord. Dad rechnete allerdings nicht damit, dass Rog versuchen könnte, seine schöne neue Kanone zu klauen. Und da Dad Flash im Auge behielt, war es Rog leichtgefallen, sich ins Schlafzimmer zu schleichen, die Matratze zu lupfen und die Knarre in seinen Besitz zu bringen. Es hatte seine Vorteile, wenn man im gleichen Haus wohnte.

Allerdings würde Dad bald dahinterkommen, dass sie weg war.

Vorerst jedoch nicht. Er war heute Nachmittag auf ein, zwei Bier mit Norrie weg, um sich ein bisschen abzulenken. Schön, dass Dad einen guten Freund hatte. Ein guter Freund war alles, was man brauchte. Und Norrie war ein guter Freund, sonst hätte er sich nicht zwei Wochen frei genommen, um die Familie zu unterstützen.

Rog holte tief Luft, dann noch mal und noch mal. Schüttelte die Hände an der Seite wie ein Hund, der Wasser von seinem Fell abschüttelt.

»Haust du jetzt ab, oder muss ich dich noch mal windelweich prügeln?«, fragte Wallace.

Rog nickte, was Wallace wahrscheinlich verwirrte.

»Okay, ich ruf die Polizei«, sagte Wallace, drehte sich um und wollte weggehen. Sein cremefarbenes Hemd hing ihm hinten aus der Hose. Rog stieß fest gegen die Tür und stürmte in den Flur.

»Mach, dass du aus meinem Haus kommst, Roger«, sagte Wallace.

So verdammt jung und unschuldig. Etwa eins fünfundsiebzig, mittelkräftig, überhaupt keine Gefahr, wenn man ihn so anschaute.

Rog wollte sprechen, irgendwas Cooles sagen. >Friss Blei, du Arschloch.< Aber seine Kehle war zugeschnürt, und er wusste, dass er kein Wort herausbringen würde. Oder wenn, dann würde es sich wie ein Piepsen anhören. Was kein bisschen cool wäre. Wenn man es recht bedachte, scheiß auf Coolness.

Scheiße. Reiß dich am Riemen.
Du bist größer als er.

Normalerweise war seine Größe ein Vorteil. Nicht so bei Wallace. Wallace war nicht die Spur eingeschüchtert.

Rog wischte sich mit dem Handgelenk den Schweiß von der Stirn.

BOOK: Hard Man
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